Morgengedanken von Sr. Sonja …
Die Sendereihe „Morgengedanken“ läuft jeden Tag in der Früh auf Ö2. In 90 Sekunden sollen aus dem Weisheitsschatz der christlichen Tradition Impulse für den Tag gegeben werden.
einfach (LASSEN) TRAUEN
In den vergangenen Monaten hatten wir jede Menge Übungsfelder um alles „einfach“ neu zu betrachten. Ich habe die Hoffnung, dass wir uns in der corona-geschüttelten Zeit wieder auf einen Reifungsweg eingelassen haben.
Reifen ist Wachsen und Werden. In Bereitschaft zur Selbstbesinnung, zum Aufbrechen, Fragen stellen, Lieben und Ringen … In Offenheit für all das, was das Leben bringt Lernende/r bleiben.
Ich ersehne, will Zukunft! Sie wächst aus den Erfahrungen der Vergangenheit, aus der Kraft des Los-lassens von Festgefahrenem, im offenen Zugehen auf das Neue und auf den Fremden. Zukunft liegt aber nicht nur in meiner Verfügbarkeit, sondern kommt auf mich zu, wird ermöglicht, wenn ich meine Grenzen aufbreche und Begegnung wage, mich traue und anvertraue.
Indem ich Gott, den anderen und mir etwas zutraue, kann Vertrauen und Zukunft wachsen. So kann die Schrittfolge: nehmen, gebrauchen, wegwerfen, abgelöst werden vom verheißungsvollen Dreiklang TRAUEN – VERTRAUEN – TREUE.
Einfach Vertrauen und Treue wagen. Das Wort einfach in seiner Doppeldeutigkeit ist mir wichtig geworden.
Im einfachen Loslassen Begegnung wagen und der Zukunft den Weg bereiten – und andererseits: was auch immer kommen mag, im Vertrauen einfach leben.
Sr. Sonja Dolesch
Impuls …
…zu Corona und „einfach leben“
Das Jahr 2020 steht bei den Ordensgemeinschaften Österreichs unter dem Motto: einfach leben.
Was heißt das überhaupt und wie erschließt sich uns die Bedeutung in dieser besonderen Zeit?
einfach leben meint „dem Leben Raum geben. Aus guten Quellen schöpfen und positive Energien frei machen.“ So umschreibt es Anselm Grün in einfachen Worten.
In den Tagen der Coronakrise bekommen diese Worte eine besondere Bedeutung.
Ich erlebe es paradox: Die Komplexität des Lebens wird mir neu (unüberschaubar und mit so vielen Unbekannten beinahe bedrohlich) bewusst. Die vielfachen Vernetzungen und Netzwerke in unserer Welt haben uns im Griff und eröffnen gleichzeitig kostbare Möglichkeiten der Kommunikation. Obwohl gar nichts einfach ist, wird unser Leben per Verordnung in vielen Bereichen reduziert und auf ein gar nicht so einfaches Leben konzentriert. Ich persönlich möchte mich immer wieder dazu entscheiden, die im nun so deutlich spürbar begrenzten Leben das Mögliche dankbar zu sehen und zu nutzen… eine vielfache Chance, das einfache Leben als Weg zum Wesentlichen, zum erfüllten Leben zu entdecken.
Beim Schreiben wird mir die vielfache Bedeutung des Wortes einfach bewusst. Z.B. ist dieses Wort mitunter auch nur ein aus Verlegenheit gesprochenes Füllwort, weil ich ganz einfach nicht weiterweiß. Auch das könnte in dieser Situation zutreffen.
Wir Schwestern haben uns im Gelübde der Armut zu einem einfachen Leben verpflichtet. Wie bringen wir das zum Ausdruck? Ist doch das Leben (nicht nur in dieser Zeit) gar nicht so einfach? Das Leben heute fordert nicht nur uns Ordensleute zur Reduktion, zur Unterbrechung, zur Besinnung auf das Wesentliche heraus.
Die Erfahrungen in der Coronakrise können helfen, das wirklich Notwendige zu entdecken und es in vielfacher Weise zu teilen: das rücksichtsvolle Miteinander, die selbstverständliche Hilfe, das gute Wort, das Gebet, der Glaube an die heilsame Gegenwart Gottes auch jetzt und heute … Ich lebe einfach im Vertrauen auf Gott! Das ist mein Übungsfeld des Glaubens und der Liebe in der Coronakrise.
Täglich neu einfach leben lernen ist in der jetzigen Situation besonders gefragt!
Sr. Sonja Dolesch
Impuls …
…zu Weihnachten
Weihnachtsgedanken nach Franz von Assisi
Was nützt es, wenn wir immer noch zur Krippe kommen, die ich in der Höhle zu Greccio dargestellt habe? Was nützt es, wenn wir die Demut des göttlichen Kindes bewundern, die Freude der heiligen Jungfrau mitempfinden oder das Staunen des heiligen Josef, der nur gebraucht wurde, nicht mehr? Was nützt es, wenn wir den Eifer der Hirten verfolgen, die alles liegen und stehen ließen, nur um den Heiland zu suchen und zu schauen? Was nützt es, wenn wir Weihnachten nur feiern, unsere Geschenke aufrechnen und für ein paar Stunden gerührt sind?
Ich habe uns die Krippe nicht zum Anschauen geschenkt, sondern zum Anfassen. Man muss das Kind „auf seinen Händen tragen“, muss die Muttergottes und ihren Mann „in die Arme nehmen“, man muss sich mitten unter die Hirten gesellen und einer von ihnen werden. Mit den Gestalten der Heiligen Nacht eins werden, das ist es. Man muss selber die Demut des Kindes lernen, dem Staunen und der Freude der „Eltern“ im eigenen Herzen Raum geben, man muss sich von den Hirten anstecken lassen.
Man muss etwas merken nach Weihnachten, dass man die Christgeburt gefeiert hat. Und man wird sich auf den Weg machen müssen, um – wie dereinst die Heiligen drei Könige und die Hirten – seine eigenen Gaben zu bringen. Nein, nicht nur Gaben, letztlich sich selbst.
Impuls …
…für die Ferien
Aus dem Sonnengesang des hl. Franziskus:
Gepriesen seist du, mein Herr,
mit allen deinen Geschöpfen,
zumal der Herrin, Schwester Sonne,
denn sie ist der Tag
und spendet das Licht uns durch sich.
Und sie ist schön und strahlend in großem Glanz.
Dein Sinnbild trägt sie, Erhabenster.
Gedanken zum Nachdenken …
Wir Menschen sind in Verbundenheit mit allem Geschaffenen Teil der Schöpfung, nicht ihr Beherrscher. Auch Papst Franziskus spricht in seiner Enzyklika „Laudato si‘“ von der „Mitwelt“ und meint, dass es eines Prozesses der Bekehrung bedarf, uns als einen Teil der Schöpfung zu sehen.
Der hl. Franziskus nennt im Sonnengesang die Geschöpfe ein „Sinnbild des Allerhöchsten“. In ihnen wird das „Gesicht Gottes“ sichtbar. Uns Menschen lehrt dies, die Schöpfung in Ehrfurcht zu begegnen – nicht nur bei einem schönen Spaziergang, sondern im täglichen Umgang mit ihr.
Impuls …
HÖREN
Der Glaube kommt vom Hören. Schon im Alten Testament finden wir das „Höre, Israel…“ , ein Hören darauf, dass Gott einzig ist und wir Ihn lieben sollen aus ganzem Herzen, ganzer Seele und mit ganzer Kraft (vgl. Dtn 6,4 f). Auch viele Heilige haben den Ruf Gottes in den Nöten ihrer Zeit gehört, wahrgenommen und darauf ganz konkret geantwortet.
Der heilige Franziskus hat als junger Erwachsener die Niederlage Assisis miterleben müssen. Im Gefängnis von Perugia muss er warten, bis sein Vater ihn loskaufen kann: eine erste Zeit des Nachdenkens und Hinhörens. Die Sehnsucht nach Stille bleibt, auch nachdem er frei wird: er zieht sich immer wieder in die Einsamkeit zurück. Im Gebet hört er den Ruf: „Bau meine Kirche wieder auf“. Er versteht es wörtlich und fängt an, Steine zu sammeln. Im Tun erkennt er, worauf es wirklich ankommt: die Erneuerung der Kirche von innen heraus. Innehalten – hören – das Erkannte tun – ein immer wiederkehrender Prozess, wenn es um das ehrliche Suchen nach dem Willen Gottes geht.
Franz von Assisi empfiehlt in seinem Brief an den Orden als Einübung drei Schritte des Hörens. Zunächst das Hören mit dem leiblichen Ohr:
„Hört, ihr Söhne des Herrn und meine Brüder, und vernehmt mit euren Ohren meine Worte.“ Das Hören auf das Wort Gottes beginnt mit dem leiblich konzentrierten Hören des Menschen in seiner konkreten Lebensgeschichte.
Dann geht Franziskus zur nächsten Weise des Hörens über:
„Neigt das Ohr eures Herzens und gehorcht der Stimme des Sohnes Gottes.“ Es geht um das Hören mit dem Ohr des Herzens, also von innen her.
Als dritter Schritt kommt noch dazu:
„Haltet seine Gebote in eurem ganzen Herzen und erfüllt seine Räte in vollkommener Gesinnung.“ Entscheidend ist, das Gehörte und Erkannte nicht nur im Herzen zu bewahren, sondern es im konkreten Tun wirksam werden zu lassen. Darin liegt auch der Schwerpunkt für das Gehorsamsverständnis des Franziskus: Gehorsam beginnt beim Hören auf den Willen Gottes und beim Hören auf die Gemeinschaft.
Wie kann ich den Willen Gottes in der Haltung des Hörens erkennen? Jeder Mensch kann mir letztlich Gott vermitteln, und oft sind es nicht jene, die mich nur bestätigen. Diese offene Haltung des Hinhörens schließt Konflikte nicht aus. Es geht darum, auch in einer Auseinandersetzung Hörende zu bleiben und mich nicht abzuwenden. Das kann sehr schwierig sein!
Und wie erkenne ich, dass das, was ich als äußere oder innere Stimme höre, tatsächlich Gottes Wille ist? Ignatius von Loyola sagt, dass alles, was mich in meinen Handlungen, Gedanken und Entscheidungen bitter, hektisch und unruhig macht, nicht von Gott kommen kann. Dagegen ist alles, selbst wenn es schwer ist, von Gott, wenn es mich letztendlich zu innerem Frieden führt.
Sr. Vera Ronai